Sonntags-Gedanken
Es ist grau. Kühl. Windig. Der Sommer hat sich endgültig verabschiedet. Wehmut kommt auf: gerade noch war es sonnig, warm, hell, freundlich. Wir konnten draußen sitzen. Im Sommerkleid. Essen. Schauen. Den Seeblick genießen. Den Duft von Rosen riechen. Schmetterlinge trinken sehen. Insekten summen hören. Das ist vorbei. Jetzt. Der Herbst kommt. Oder ist schon da.
Vielleicht bekommen wir einen wunderbaren Herbst. Bunt. Farbenprächtig. Mit warmen Farben, die wie Feuer glühen. Mit diesiger Luft. Weichem Licht. Reicher Ernte. Warmen Tagen zwischen frösteligen Morgen und Abenden. Auch darüber kann ich mich freuen. Darauf auch. Und doch ist da noch etwas anderes. Ein Gefühl, das mich beschäftigt. Abschied. Ja, es stimmt – wieder einmal ist es nötig, Abschied zu nehmen. Ich weiß, das Leben besteht aus Abschieden. Großen und Kleinen, wieder und wieder. Ich bin es gewohnt. Wir alle sind es gewohnt. Gehen damit um. Mehr oder weniger gut, manchmal nur im Nebenbei, ein anderes Mal mit Trauer und Schmerz. Das gehört dazu. Und ist doch auch eine Herausforderung.
Und doch: heute beschäftigt mich dieser Abschied. Ganz intensiv. Obwohl es ein vergleichsweise „kleiner“ ist. Nicht zu vergleichen mit dem Verlust eines Jobs, einer Freundschaft, eines Ehemannes, einer Wohnung, der Heimat oder dem Tod eines geliebten Menschen.
Ich denke an all die unbekannten Kinder, Frauen und Männer, die auf der Flucht sind. Oder irgendwo angekommen sind und hoffen, hier einen Ort zu finden, an dem sie sein dürfen. Leben können. In Ruhe. Die meisten von ihnen tragen all die großen Verluste vereint mit sich herum. Nicht nur einen, nein, alle. Wie kommen sie damit klar? Ich weiß es nicht. Habe keine Ahnung, wie sie das Überleben.
Keine Ahnung, ob ihre Wunden je heilen werden. Nein, ich glaube nicht mehr, dass die Zeit alle Wunden heilt. Wir lernen im besten Fall, mit den Wunden zu leben. Das ist schon viel. Was dabei hilft? Ein Lächeln. Ein Wort. Wahrgenommen werden. Und auch, warum nicht, Sonne, die rote und gelbe Blätter leuchten lässt. Ein Korb voller Äpfel oder Birnen. Ein Spaziergang im raschelnden Laub. Ein taubenetztes Spinnennetz. Normalität und Alltag und Sicherheit. Das scheint nicht viel und ist doch Alles.
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