Samstag, 11. April 2020

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Die Idee des „Corona-Tagebuchs“ stammt von hier corona-blog.at 

 

11.00 Uhr – Zum ersten Mal

Zum allerersten Mal in meinem Erwachsenenleben habe ich dieses Jahr keine Eier gefärbt. Dieses Jahr hat das Erwin gemacht. Ich habe mich gefreut, als ich sie gesehen habe.
Als mir bewusst wurde, dass das tatsächlich das erste Mal ist, habe ich mich gefragt, ob mir etwas fehlt. Ja, da fehlt etwas. Es war eine liebgewonnene Tradition. Die ich erledigt habe. Routiniert und eingewoben in den Zeitplan. Vielleicht ist auch das ein Geschenk dieser Zeit: Einmal mehr zu spüren, dass Routinen wichtiger sind als gedacht. Im nächsten Jahr, werde ich wieder beim Eierfärben mitmachen – mit Erwin und hoffentlich auch den Enkelkindern.

14.15 – Das Kreuz tragen

Von der gestrigen Kreuzwegandacht blieb eine Frage bei mir übrig. Ich schrieb ja, dass alle Betrachtungen im Zusammenhang mit dem Gefängnis gestanden sind. Und ja, ich kann nachvollziehen, dass diese Erfahrungen für die Verurteilten ein Leidensweg und eine Prüfung sind. Was aber ist mit den vielen Menschen, mit uns allen, die wir keine derartigen Erfahrungen haben? Was ist unser Leiden? Was ist unser Kreuzweg?
Für mich greift es zu kurz (wie angedeutet), dass unsere Schwächen unser Kreuz wären. Denn Schwächen dürfen sein. Gehören zum Menschsein. Was nicht heißt, dass wir nicht daran arbeiten können. Und uns, anderen gegenüber, zusammenreißen sollen.

15.00 Uhr – Gehirnt

Ich habe nachgedacht über den vorigen Eintrag. Über gestern Abend. Für mich sind meine Kreuzwegerfahrungen nicht meine Schwächen.
Trauer im Angesichts des Todes. Enttäuschungen auf Grund missbrauchten Vertrauens. Das Gefühl, nie zu genügen. Mich anstrengen zu können, wie ich will, ohne je gesehen zu werden. Mich selbst abzuwerten, kleinzumachen. Nicht zu mir zu stehen.
Ich glaube, dass sind Aspekte von “ Kreuzerfahrungen“. Denn, wenn ich mich nicht wertschätze, kann ich auch anderen kaum Wertschätzung geben. Dann wird es dunkel, weil die Menschen unter dem Mangel des „Falsch seins“ leiden.
Freude kann so nicht leben. Zuversicht nur schwer. Auferstehung geht anders.

20.20 Uhr – Sich verbunden fühlen

Gerade habe ich unseren Bundespräsidenten gehört. Er sprach vieles von dem an, was mich – und vermutlich viele andre Menschen- in den letzten Wochen beschäftigte.
Ich habe in diesen Tagen viel Verbundenheit gespürt. Gegeben, so hoffe ich und gezeigt. Bekommen auch. Zurückbekommen. Einfach so, umsonst. Das war gut. Das ist gut. Das soll bleiben.
Vielleicht können wir – die, die wir uns jetzt verbunden fühlten – uns in Zukunft gegenseitig erinnern. Wenn ich es recht überlege: Es war weder schwer noch aufwändig, die Verbundenheit zu leben. Das heißt, es muss auch im Alltag möglich sein. Egal, wie der aussehen wird.

23.00 Uhr – Osternacht

Vorhin habe ich einen Fernsehgottesdienst gefeiert. Eine Evangelische Osternachts-Feier aus München – Sendling. Die Kirche war fast ganz leer. An jedem Platz in den Bänken stand eine, zunächst unangezündete, Kerze. Vor der Kirche brannte das Osterfeuer. Es wurde hell, als alle Kerzen drinnen leuchteten. Ich war ergriffen. Tränen inklusive.
„Ihr sollt leben“ – an diesem Satz bin ich hängengeblieben. Leben sollen wir, trotz Angst, Verletzung, Zweifel, Unglück. Leben sollen wir angesichts der Pandemie.
„Ihr sollt leben“ – wie sollen wir leben? Patentrezept gibt es keine. Allerdings: Menschlich leben, die anderen im Blick und im Herzen haben, das wäre ein Anfang.

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