Nach dem Frühstück

Die Arbeit ruft. Sehr laut. Ich folge dem Ruf. Gehe zum Schreibtisch. Er ist voll. Zu voll, denn er ist gleichzeitig auch mein Maltisch. Gepresste Herbstblätter lachen mich an. Dunkelrotbraun. Gelb. Kleine. Größere. Solche mit Zacken. Lange, schmale Blätter. Ein kleines gelbes Blatt mit spitzer Spitze. Die Farben stehen da. Griffbereit. Pinsel und Wassergläser – alles, was ich brauche um anzufangen, ist da. Ich bräuchte nur einen Block zu holen und könnte mit dem Malen beginnen. Die Lust ist groß. Ich spüre sie im Bauch, in der Hand, im Herzen. Meine Augen sehen bereits die Farben verlaufen. Es bilden sich Ränder und neue Farben, Punkte, weiße Flecken. Gelb und Orange sehe ich, ein wenig gedämpftes Grün ebenso. Die Finger jucken. <Erst die Arbeit dann das Vergnügen>, höre ich die Stimme meiner Mutter.

Und ja, ich weiß, Arbeit ist ausreichend da. Zu viel für einen Tag. Viel zu viel. Kopf und Herz beginnen zu streiten.

„Nur einmal kurz in die Farben eintauchen“, sagt das Herz.

„Daraus werden dann schnell Stunden, weil es gerade so viel Spaß macht – das weißt du doch“, antwortet der Kopf.

„Nein, ich kann nach einem ersten Farbauftrag aufhören, der muss ja sowieso trocknen. Und dann kann ich später weiter malen.“

„Na, ich weiß nicht. Mach lieber erst die Arbeit und wenn du fertig bist und Zeit bleibt, kannst du immer noch malen.“

„Aber ich will jetzt malen. Jetzt sehe ich ein Bild vor mir auftauchen“, sagt das Herz.

Ich höre den beiden eine Weile zu. Beschließe, es ist genug. Ich treffe eine Entscheidung. Lege den Stift weg und …

 

 

 

 

 

Wie hättest Du entschieden?

Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus einem kürzlich entstandenen Herbstbild.

Bild und Foto: © Judith Manok-Grundler

 

 

 

0 Kommentare
  1. Rina
    Rina sagte:

    Uh – ja, ich hätte wahrscheinlich auch erst gearbeitet. Aber das Argument, dass es nur mal schnell ein bisschen Farbe gibt, die dann trocknet – das kenne ich.

    Antworten

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