abcEtüden 6* 7* 8* 9*: Beziehungen
Sie sieht seine hängenden Schultern. Die verschlungenen Hände. Das graue Gesicht mit den Falten, die sich wie Täler eingegraben haben. <Sein Anzug hat auch schon einmal besser gepasst>, schießt ihr durch den Kopf.
„Deine Unterwürfigkeit hilft dir nicht mehr. Ich habe dir gesagt, dass du nur noch eine Chance hast. Die hast du jetzt verspielt.“
„Aber ich…“
„Nein. Jetzt ist Schluss.“ Sie schaut auf den Kontoauszug in ihrer Hand. „Wir sind verschuldet, so hoch wie noch nie. Ist dir das eigentlich klar?“
„Das kann nicht…“
„Ich weiß gar nicht, wie du das geschafft hast.
„Ich…“
„Nicht nur, dass du wieder gewettet hast – noch dazu auf einen abgehalfterten Gaul. Nein, du hast unser Geld mit deinen Freunden verjubelt. Beim Kegel-Ausflug. Ein Abend im Restaurant für 900 Euro? Zu viert?“
„Das stimmt nicht…“
„Ich will nichts mehr hören.“ Sie dreht sich um. Geht aus dem Zimmer. Kommt mit zwei Koffern zurück. Sie öffnet die Wohnungstür. Stellt die Koffer davor ab. Schiebt ihn hinaus. „Wenn du dich jemals wieder blicken lässt, bringe ich dich um.“ Sie schlägt die Tür zu. Geht zum Wohnzimmerfenster. Sieht hinaus. Er kommt aus der Haustür. Mit hängendem Kopf geht er über die Straße. Langsam. Sie sieht ihm nach, bis er nach links abbiegt.
Sie lächelt. „Du kannst jetzt kommen“, ruft sie. Er tritt hinter dem Vorhang hervor. Geht auf sie zu. Nimmt sie hoch. Dreht sich mit ihr im Kreis.
„Mann, bist du genial. Niemals hätte ich gedacht, dass du es schaffst, ihn so einfach loszuwerden. Komm, lass uns feiern gehen.“
Wie bringst Du die drei Wörter unter?
Foto: © Erwin Grundler
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Maximal 300 Wörter, die die Begriffe „Unterwürfigkeit, verschuldet, verjubeln“ enthalten müssen. Die Idee stammt von hier: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2024/02/04/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-0607080924-wortspende-von-werner-kastens/
So viel Bosheit und eine solcher Genuss, wehrlose Unterwürfigkeit auszunutzen, lässt mich vermuten, dass auch der Mann, der auf ihre Anordnung hin feige hinter dem Vorhang geblieben ist, ihr nächstes Opfer sein wird.
Danke für deinen Kommentar, habe mich darüber gefreut.
Ja, da magst du recht haben – es wäre nicht das erste Mal, dass jemandem das widerfährt, was sie/er vorher mit unterstützt hat.
Vielleicht wäre es aber auch ganz anders – ich habe schon fast Lust, eine Fortsetzung zu schreiben.
Liebe Grüße
Judith
Beziehungen. Was für eine gemeine Geschichte, und das ausgerechnet von dir?! Ich weiß nicht, ob ich empört tun soll oder eher nicht … ;-)
Ich wäre auf die Pointe jedenfalls nicht gekommmen, du hast mich völlig überrascht. Danke für die Etüde!
Nachmittagsteegrüße ⛅💻🍵🍪
Liebe Christiane,
danke dir…
Ich wusste auch nicht, ob ich über mich empört sein soll.
Das war echt spannend, denn ich hatte eine andere Geschichte im Kopf (der Anfang war derselbe, nur dann wäre es so weitergegangen, dass der Mann alle Verantwortung von sich fortgeschoben hätte). Aber dann haben Hand und Stift plötzlich ein Eigenleben geführt und es kam das dabei heraus.
Und, wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch ein wenig Freude an dieser Machtdemonstration, was anderes ist es ja nicht.
Nächstes Mal schreibe ich wieder wie gewohnt…
Liebe Grüße
Judith
Mit dem Ende hätte ich auch nicht gerechnet! Und was lernen wir daraus? Traue selbst deinen (besten) Freunden nicht, wenn sie dich zu einer Sause überreden.
Lieber Werner,
danke dir.
Wie schön, dass ich euch überraschen kann…
Herzliche Grüße zu dir
Judith