#abcEtüden 16.17.22: Von Eltern lernen
Akribisch richtet Anne alle Zutaten für den Königskuchen auf dem Tisch aus. In zwei Reihen – so, wie ihre Mutter es ihr beigebracht hat. Die aufgeschlagenen Eier gehören neben die Schüssel mit Zucker, danach kommen Butter, Milch, Mehl, Backpulver, Rosinen, Orangeat und eine Zitrone – alles in eigenen Schüsseln.
„Sag mal, was machst du da, Anne?“, fragt ihre Freundin.
Anne schüttelt den Kopf. „Siehst du doch, Kuchen backen“.
„Nee, das sehe ich nicht. Was du da machst sieht aus, als würdest du eine OP am offenen Herzen vorbereiten“.
Anne schaut ihre Freundin an. „Ich weiß nicht, was du meinst“.
„Du kannst doch Butter, Zucker und eine Prise Salz direkt in die Rührschüssel geben und die Eier nacheinander zugeben. Backpulver und Mehl mischt du und die anderen Zutaten kommen zusammen in eine Schüssel. Zack, alles vorbereitet – weniger Geschirr. Weniger Aufwand“.
„Aber, meine Mutter…“
„Ja, ich weiß schon. Aber deine Mutter hat auch Unterhosen und Socken gebügelt und jeden Tag alle Oberflächen in der Küche desinfiziert, obwohl sie zum Arbeiten immer Handschuhe getragen hat. Sie war ständig mit einem Putzlappen hinter dir her und Essen durftest du nur mit dem Teller direkt unterm Kinn, damit ja nichts tropft…“
„Hör auf!“ Annes Lippen sind ein schmaler Strich. „Machst du wieder meine Mutter schlecht?“
„Nein, Anne, das mache ich nicht. Ich sorge mich nur, dass sie dich mit ihren Zwängen und Tics mehr geprägt hat, als gut für dich ist. Komm, Süße, sei nicht beleidigt. Wir machen jetzt den Kuchen fertig und während er bäckt, setzen wir uns mit einem Glas Sekt auf den Balkon und träumen von einem leichten Leben. Was meinst du?“
Anne sagt nichts. Sie greift zum Handrührgerät. Und während sie mit dem Teig beginnt sagt sie: „Worauf wartest du? Mach den Sekt auf!“
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Wie bringst Du die drei Wörter unter?
Foto: © Erwin Grundler, Überlingen
Maximal 300 Wörter, die die Begriffe „Königskuchen, akribisch, träumen“ enthalten müssen. Die Idee stammt von hier: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/04/17/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-16-17-22-wortspende-von-ludwig-zeidler/
Ich musste ein bisschen grinsen. Meine Mutter hat auch Unterhosen und Socken gebügelt und konnte sehr akribisch sein. Manches habe ich von ihr, anderes nicht 😉
Beim Backen hätte sie wohl einen Weg zwischen Anne und ihrer Freundin gewählt, sie hatte nämlich keinen Geschirrspüler und war da eher praktisch. 😀
Danke für die die Erinnerung. Die Lok sieht sehr lecker aus! 👍
Nachmittagskaffeegrüße ⛅🌼☕🍪🦋👍
Liebe Christiane,
danke dir für deinen Kommentar.
Auch ich habe manches von meiner Mutter und anderes nicht – und manches will ich auf keinen Fall so machen wie sie. Obwohl meine Mutter Jahrgang 1921 war – Unterhosen und Socken hat sie nie gebügelt (ihre Mutter schon).
Beim Backen hätte meine Mutter wohl auch einen Zwischenweg gewählt – ich selbst halte es mit der Freundin.
Die Lok war wohl auch lecker (soll ich ja nicht essen, deswegen kann ich nichts dazu sagen). sie stammt vom Enkelbuben-Geburtstag im Februar.
Schön, dass ich deiner Erinnerung einen Anstoß geben konnte.
Nachmittagsgrüße mit Regen und Tee
Judith
Dem Kommentar von Christiane schliesse ich mich inhaltlich an. Es war wohl die Zeit, als man noch alles bügelte, und das noch ohne Dampftechnik, und dazu passt die Lok, bei deren Anblick ich gerade richtig schade finde, dass die Zeit der Kindergeburtstage bei uns vorbei sind.
Danke dir für deinen Kommentar.
Meine Mutter hat das beim Bügeln so nie gemacht, deshalb habe ich das auch nicht gelernt.
Die Lok stammt vom letzten Enkelbubengeburtstag im Februar – und ja, manchmal vermisse ich die Zeit der KIndergeburtstage auch. Wobei ich ja immerhin noch 7x jährlich Enkel-Kindergeburtstag feiern kann.
Liebe Grüße und einen guten Start in die neue Woche.
Herzlich
Judith
Die Zeit bis zu eventuellen Enkeln müssen wir noch irgendwie anders überbrücken.Danke, Judith :-)
Da gibt es sicher Ideen, oder?
Alles Liebe
Judith
Sehr einfühlsamer Ehemann, der es versteht, sie zu überzeugen, dass das Leben mehr bietet als geordnete Zutaten.
Freundin, lieber Werner, Freundin…
aber es soll tatsächlich auch einfühlsame Ehemänner geben, die daran erinnern, dass es mehr als Ordnung gibt.
Nachmittagsgrüße
Judith