Erntedankfest
Am Sonntag ist Erntedankfest. Ich erinnere mich: Früher sind wir dann in die Kirche gegangen. Unsere Kinder trugen alle einen kleinen Korb, in dem Garten-, Feldfrüchte und Nüsse waren. Mit bunten Blättern und Hagebutten haben wir die Körbe verziert. Es wurde gesungen, gebetet, gedankt. Gedankt für die Ernte. Dafür, dass wir zu essen haben. Dafür, dass andere Menschen für die Ernte und uns sorgen. Die Körbe wurden gesegnet, stolz nach Hause getragen, das enthaltene gemeinsam zu Gemüsesuppe oder/und Obstsalat verarbeitet. Ich habe das als ein wunderbares Ritual empfunden. Die Kinder ebenfalls. Und: Das Erntedankfest strahlte in den Alltag aus. Täglich einmal dankten wir für das Essen. Der Dank wurde im Lauf der Jahre erweitert. Wir dankten für Familie und Freunde, für den Sonnenschein, für den Schnee, für den Regen, für die Gesundheit und vieles mehr.
Jetzt sind die Kinder groß. Haben eigene Kinder. Mit gefüllten Körben gehe ich heute nicht mehr zum Erntedankfest in die Kirche. Ohne Körbe auch nicht immer.
Weil ich „Dankbarkeit“ aber als eine wichtige Haltung, die mich trägt und stärkt, empfinde, habe ich Dankbarkeitsrituale für mich entwickelt. Ich schreibe regelmäßig „Dank-Texte“, dekoriere das Haus jahreszeitlich. Jeden Morgen, meist noch vor dem Frühstück, gehe ich ans Wohnzimmerfenster und schaue hinaus – bin dankbar dafür, dass ich an einem so schönen Ort wohnen darf. Manchmal spreche ich den Dank laut aus, ein anderes Mal spreche ich ihn still für mich. Hin und wieder pflücke oder kaufe ich einen Strauß, um meine Dankbarkeit gegenüber der Natur auszudrücken. Da bleibe ich dann täglich stehen, um kurz zu danken. Darüber hinaus nutze ich alle möglichen Situationen, um meine Dankbarkeit nicht nur zu fühlen, sondern sie auch auszusprechen. Das tut mir gut und es hilft ganz nebenbei, allerhand Dinge meines Lebens nicht mehr als selbstverständlich zu betrachten. Das Wissen darum, lässt mich zufrieden sein. Und mitfühlend. Und hilfsbereit.
Das Erntedankfest ist eine Erinnerung, die ich inzwischen längst nicht mehr benötige – und die ich trotzdem nicht missen will.
Was bedeutet Erntedank für dich? Hast Du Rituale, um Deine Dankbarkeit auszudrücken?
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