Schreiben im Café: „Wenn lau die Tage sind…“
Am Donnerstag war „Schreiben im Café“ – dieses Mal haben wir in Präsenz im Café geschrieben. Schön war es – und Worte plätscherten. Hier kommt einer meiner Texte.
Wenn die Tage lau sind, motte ich meine Wollsocken ein und schaue, dass ich im Kleiderschrank Platz finde für Sommerkleider.
Wenn die Tage lau sind, genieße ich den Wind, der säuselt, statt an Bäumen und Mauern zu reißen. Ich höre dem Tschilpen der Spatzen zu und sehe mit einem Lächeln, wie sie in einem Pfützchen plantschen.
Wenn die Tage lau sind, setze ich mich auf den Balkon und schaue. Über den See. Hinunter auf die Stadt. Zur Kletterrose, deren rote Blüten mich schon seit 45 Jahren begleiten.
Wenn die Tage lau sind, zähle ich Grüntöne und lege sie in die Schatz Kiste meiner Erinnerung, damit ich an Novembertagen von ihnen zehre.
Wenn die Tage lau sind, sammle ich Farben. Das Lila der Iris. Das Weiß-Grün der Maiglöckchen. Das Gelb des Rapses. Das Silbergrau der Lavendelblätter. Das Violett von <Kriechendem Günsel>. Das Rot des Wiesenklees. Das Rostbraun des Goldlacks.
Wenn die Tage lau sind, mache ich mir Wasser mit Geschmack. Ich sammle Steine am Ufer des Sees. Halte Ausschau nach Bodensee-Vergissmeinnicht. Habe ein Seidentuch in Griffweite. Ich esse Spargel. Und genieße meinen Tee in der Abendsonne.
Wenn die Tage lau sind, blühe ich auf. Ich bin im Freien. Mag den Blick zum Himmel, der sich wie ein Tuch über mir ausspannt. Freue mich über Abende auf der Bank unter der Linde. Greife nach Pinsel, Schreibbuch und Stiften. Wenn die Tage lau sind, bekommen meine Sätze Schnörkel. Worte tauchen aus dem Winterschlaf auch und schweben über dem Papier. Mein Füller läuft wie von selbst. Auf meinen Bildern teilen sich Grün und Gelb den Platz. Ideen fliegen mir zu. Und Träume purzeln durch meine Tage.
Wenn die Tage lau sind, folge ich Schmetterlingen mit meinem Blick. Ich sehne mich nach einem <und noch…>. Höre Bienen summen und trage den Geschmack von Erdbeeren noch lange mit mir.
Wenn die Tage lau sind…
Was machst Du, wenn die Tage lau sind?
Foto: © Erwin Grundler
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