„Was ich brauche und was ich nicht brauche“

Schreibe eine Liste <Was ich brauche> und eine <Was ich nicht brauche>.
Schreibe dann zu diesen Listen eine

„Flammende Rede an die Welt“.

„Hört mir zu, Ihr Menschen da draußen, hört mir zu!
Ich brauche ein Lächeln. Eines, das mich am frühen Morgen trifft, wenn ich noch nicht bereit bin, den Tag aktiv anzugehen. Eines zum Vier-Uhr-Tee, das mir sagt: Den Rest schaffst du auch noch und eines einfach so, weil ich da bin.
Ich brauche meine Brille, die grau-petrolfarbene, die mir ermöglicht, in die Nähe und in die Ferne gut zu sehen. Wegschauen kann ich auch mit ihr, wenn ich das will.
Ich brauche Zeit – Zeit, die ich mir gebe und die ich für mich ganz allein habe. Zum Lesen, Schreiben, Fingernägel lackieren, dumm aus der Wäsche gucken, Nichts tun. Und ich brauche Zeit, die ich mit anderen verbringe. Mit Finja auf Mäuerchen tanzen, mit Katharina schaukeln, mit Alisa per Telefon – vom 7. Sonntag im August – lesen, mit Erwin wandern.
Ich brauche keine Stürze mehr beim Fangenspielen mit den Kleinen und keine Begegnungen mit freilaufenden Hunden, Kühen oder Schafen.

Ich brauche weder Rosenkohl noch Sellerie; auch keine 36 Grad im Schatten. Lobhudeleien sind mir zuwider, doch eine Ermutigung wie schön, dass du da bist, die brauche ich schon.
Ich brauche keine Brüder-Lieder sonntags in der Kirche, die mich ausschließen. Aber einen Händedruck und ein Gott sei mit dir als Segensgruß, das nehme ich gerne an.
Ich brauche Frieden, der dann beginnt, wenn ich mir morgens – noch zerknittert vom Schlaf – im Spiegel ein <guten Morgen, liebe Judith> sagen kann, statt eines <wie siehst du denn aus>!

Ich brauche die Welt mit all ihren bunten Kleinigkeiten wie Gänseblümchen, Wiesenklee, grauen Kieselsteinen. Und hin und wieder einen Regenbogen, der das Dunkel mit dem Hellen verbindet, den brauche ich ebenfalls. Ich brauche das Leben – das leichte, das schwere, das bunte Leben“.

Und was brauchst Du?
Was brauchst Du nicht?


Fotos: Erwin Grundler, Überlingen - Aufkirch