Weißer Sonntag
Am Sonntag war der „Weiße Sonntag“. Finja hatte Erstkommunion. Jetzt war der Festtag, der so lange vorbereitet wurde, endlich da. Morgens stieg die Aufregung beim Kind und der Familie langsam an.
Für mich war es ein Anlass, mich zurückzuerinnern. Mein Weißer Sonntag ist lange her. Besonders viel weiß ich darüber nicht mehr – vor allem nicht über den Gottesdienst. Einige Erinnerungssprenkel sind da: Ich kann mich grob an mein Kleid erinnern und an das weiße Stoffblütenkränzchen im kurzen Haar. Ich weiß, dass wir beim Essen im Gasthof Bürgerbräu waren und es zu Hause, in Vaters Arbeitszimmer, Geschenke für uns gab (ich war zusammen mit meiner älteren Schwester beim Weißen Sonntag, weil meine Eltern nicht zwei Jahre hintereinander feiern wollten). Ich sehe Sammeltassen vor mir, einen Weihwasserkrug, ein Weihwasserbecken und unzählige Packungen mit Stofftaschentüchern. Ein Poesiealbum war dabei, ein goldenes Kreuz an einer Kette und eine Armbanduhr mit schwarzem Lederband. Außerdem gab es einen Rosenkranz, den ich bis heute nie benutzt habe und ein Erstkommunionalbum. Nachdem diese Bilder aufblitzten, überlegte ich mir, was ich von der Vorbereitung weiß. Da gibt es nur eine einzige Erinnerung, die mich tief verstört hat. Aus heutiger Sicht gesehen, hat sie sicher dazu beigetragen, dass ich begann, am Glauben, an Gott, an der Kirche zu zweifeln.
Unser damaliger Vikar sagte: „Eure Eltern sind nicht eure Eltern. Gott ist euer Vater und ihr seid seine Kinder!“ Ich konnte und wollte das nicht glauben. Was sollte ich mit einem Vater, den ich nicht sehen kann? Der nicht zu greifen ist! Der nicht da ist! Außerdem fragte ich mich, wieso ich nur einen Vater haben sollte? Was war mit meiner Mutter? Meine Erfahrung aus dem Alltag war ein Vater, den es zwar gab, der aber an der Erziehung nicht groß beteiligt war – das war Aufgabe der Mutter. Und jetzt sollte Gott mein Vater sein? Wie hätte ich denn glauben sollen, dass Gott, der mir als allmächtiger, strafender, alter Mann mit Bart nahegebracht wurde, mir ein Vater sein sollte?
Daran dachte ich wieder, als ich beim Erstkommuniongottesdienst in der Kirche saß und der Pfarrer davon sprach, dass <Gott die Kinder liebt wie ein Vater>.
Ich fragte mich: „Weshalb wie ein Vater? Weshalb nicht wie Mutter und Vater?“ Wie lange gibt es inzwischen den Ansatz der Feministischen Theologie? Wie lange eine Bibel in gerechter Sprache? Wieder einmal konnte ich nur den Kopf schütteln und ich hatte durchaus damit zu kämpfen, die Freude am Fest nicht zu verlieren. Es ist mir gelungen. Trotzdem blieben ein schaler Nachgeschmack und die Frage: Wie lange dauert es noch, bis die einseitigen und deshalb überholten (Sprach-)Bilder verschwunden sind?
Welche Erinnerungen habt Ihr an Euren Weißen Sonntag oder die Konfirmation? Foto: Erwin Grundler, Überlingen - Aufkirch
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