Antwort an Frau Spökensiel

Liebe Frau Spökensiel,

Schön, von Ihnen zu hören. Damit habe ich nicht gerechnet; ich dachte, das wäre bloß eine Floskel, als Sie mir letztens – nach unserem Gespräch auf dem Marktplatz – versprochen haben, sich zu melden. Zur Situation damals am <Frauentag> will ich gar nicht mehr viel sagen, da mir der Rest Ihres Briefes viel wichtiger erscheint.
Sie fragten, ob den jungen Männern wohl klar war, wie ihr Auseinandertreten wohl von außen wirkte? Nein, ich bin mir sicher, dass es ihnen nicht bewusst war. Mir aber schon! Dieses <Spalier stehen> hatte was. Es wirkte auf mich, als ob etwas Besonderes geschehen sei.
Nun zum wichtigeren Teil. Sie schreiben, die ganze Situation auf dem Marktplatz habe Sie den Tag über verfolgt. Zwei Dinge will ich Ihnen dazu sagen: Sie geben diesem Vorkommnis zu viel Bedeutung, wenn Sie zulassen, dass es Sie den ganzen Tag verfolgt. So wichtig war die Sache auch wieder nicht – es war ja nur ein Teil der jungen Männer, die ausfallend wurden. Alle anderen Teilnehmerinnen und Zuhörerinnen waren freundlich und höflich – selbst wenn sie, was zu vermuten ist – nicht alles Gesagte/Geforderte mittragen konnten.
Es tut mir sehr leid, dass Sie glauben, weder auffallen noch Ihre Meinung klar äußern zu dürfen.
Sie fragen, ob ich Ihnen helfen kann. Nein, das kann ich nicht. Das können einzig Sie selbst. Gern aber teile ich mit Ihnen einige Gedanken zum Thema als Wegweiser. Ob Sie sie annehmen, entscheiden Sie allein.

  • Wer sagt Ihnen denn, Sie dürften nicht auffallen?
  • Hat überhaupt irgendein Mensch – ganz egal, ob Frau oder Mann – das Recht, von Ihnen zu verlangen, dass Sie Ihre Meinung für sich behalten?
  • Gibt es Menschen, die sich darüber freuen, wenn Sie Ihre Meinung ganz ehrlich kundtun? Wenn ja, wie geht es Ihnen dann?
  • Was haben Sie selbst davon, wenn Sie mit Ihrer Meinung hinter dem Berg halten?

Liebe Frau Spökensiel, die Antworten auf diese Fragen kenne ich nicht. Die dürfen Sie selbst entdecken. Und nebenbei: Ob Sie wirklich „ein bisschen mehr sein wollen wie ich“, das ziehe ich in Zweifel. Glauben Sie mir, ich weiß durchaus, was die Menschen hinter meinem Rücken reden. Es macht mir inzwischen nichts mehr aus. Allerdings hat das gedauert, bis ich so weit war. Denn das Gefühl, anders zu sein und aus dem Rahmen zu fallen, das kenne ich schon seit meinen frühen Kindertagen. Aber das ist heute und hier nicht das Thema. Sie, Frau Spökensiel, sollen nicht sein wie ich. Auch nicht ein kleines bisschen. Sie sollen die beste Version „Frau Spökensiel“ sein, die es gibt. Gehen Sie also auf Schatzsuche nach sich selbst. Wenn Sie dabei über alten Schutt stolpern, werfen Sie ihn weg, damit das darunter Verborgene ans Licht kommen kann.

Viel Erfolg dabei wünscht Ihnen
Ihre
Rosalinde Piepenkrog

P. S.: Falls Sie mir vom Suchen und finden bei Gelegenheit berichten wollen – nur zu – ich freue mich darauf.

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